6. Vom Kriegsgefangenenlager zur „Heimkehrsiedlung“
Nach dem Separatfrieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918 hätte die Gefangenschaft der Soldaten des ehemaligen Zarenreiches enden können. Doch in Deutschland war man in der Kriegswirtschaft auf ihre Arbeitskraft angewiesen. Auch als nach Kriegsende die Gefangenen anderer Nationen heimkehrten, blieb ihre Situation oft ungeklärt. In Osteuropa waren Grenzen wie Identitäten im Fluss und neue Kriege tobten. Nun war es Deutschland, das auf eilige „Abschiebung“ drängte, doch die in den russischen Bürgerkrieg intervenierenden westlichen Ententemächte bremsten. So kam es am 1. Mai 1919 in Frankfurt zu einem gemeinsamen Demonstrationszug von deutschen Sozialisten mit etwa 2000 noch in Gronenfelde verbliebenen Gefangenen, die eine schnelle Heimführung verlangten. Einzelne ehemalige Gefangene blieben in Frankfurt und gründeten hier Familien.
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Auch nach dem Auszug der letzten Gefangenen bestand noch Bedarf an Barackenlagern. So wurde in Frankfurt ein Durchgangslager für aus der Gefangenschaft zurückkehrende deutsche Soldaten eingerichtet. Tausende Russlanddeutsche kamen in Frankfurt an, zuvor bereits Flüchtlinge aus der umkämpften Provinz Posen und schließlich Optanten, also Bewohner der an Polen abgetretenen Gebiete, die für die deutsche Staatsbürgerschaft optiert hatten. Diese erzwungene Auswanderung ist bis heute durch die Siedlungsbauten der 20er Jahre in der damals proklamierten „Ostmarkenstadt“ Frankfurt sichtbar. Gronenfelde bot Platz für 3000 Personen. Auch das Lagergelände wurde schließlich zur Besiedlung genutzt, ab 1923 wurde die „Heimkehrsiedlung“ errichtet. Das letzte verbliebene Gebäude des Kriegsgefangenenlagers, die hölzerne Lesehalle und Kirche, wurde 1928 als „Heilandskapelle“ geweiht und bildet bis heute das Zentrum der Siedlung.